21 Jul Histaminintoleranz – Antwort auf viele Probleme
Eine Vielzahl unspezifischer Symptome und schwer diagnostizierbar. Die Histaminintoleranz war lange Zeit nur in Fachkreisen bekannt. Mittlerweile rückt sie stärker in den Fokus. Denn immer mehr Menschen reagieren sensibel auf Histamin.
Was ist Histamin?
Histamin ist ein Stoff, der im menschlichen und tierischen Körper, aber auch in der Pflanzen- und Bakterienwelt vorkommt.
Histamin besitzt im menschlichen Körper viele verschiedene Funktionen. Eine zentrale Rolle spielt Histamin bei allergischen Reaktionen. Neben allen Abwehr- und Entzündungsreaktionen reguliert Histamin die Durchlässigkeit der Blutgefässe, die Magensäureproduktion, die Appetitkontrolle sowie den Schlaf-Wach-Rhythmus.
Histamin kommt in großer Konzentration in allen Mastzellen, den Schleimhäuten, Bronchien, den Zellen des Magen-Darm-Traktes und des Zentralnervensystems vor.
Histamin wird extrazellulär über das Enzym Diaminoxidase (DAO) und intrazellulären über das Enzym Histamin-N-Methyltransferase (HNMT) abgebaut.
Jeder Körper hat eine individuelle Toleranzschwelle für Histamin. Ist diese überschritten, zeigen sich Symptome.
Was ist eine Histaminintoleranz?
Bei einer Histaminintoleranz wird das durch die Nahrung aufgenommene bzw. freigesetzte Histamin kaum oder gar nicht vertragen.
Eine Histaminintoleranz ist keine Allergie. Da allergieähnliche Symptome entstehen können, spricht man häufig auch von einer Pseudoallergie.
Welche Symptome verursacht eine Histaminintoleranz?
Es ist nicht möglich, eine Histaminintoleranz anhand einer einheitlichen Symptomatik zu diagnostizieren. Die Bandbreite an möglichen Symptomen ist groß und unspezifisch. Personen mit Histaminintoleranz entwickeln unterschiedliche Symptome mit unterschiedlichem Schweregrad.
Die Symptome können in allen Bereichen auftreten, die mit dem Histaminstoffwechsel in Verbindung stehen:
MAGEN-DARM-TRAKT
- Übelkeit
- Erbrechen
- Durchfall
- Blähungen
- Bauchkrämpfe
HERZ-GEFÄSS-SYSTEM
- Herzrasen
- Panikattacken
- Abfallender Blutdruck
- Herzrhythmusstörungen
(SCHLEIM-)HAUT
- Ödeme (Wassereinlagerungen)
- Erröten | Flush
- Niesen | laufende Nase ohne Erkältung
- Juckreiz, Nesselausschlag
- Aphten | Zungenbläschen
- Chronische Blasenentzündung
- Bindehautentzündung
NERVENSYSTEM
- Kopfschmerzen | Migräne
- Schlafstörungen | Wachheit
- Reizbarkeit | Überdrehtheit
- Nervosität
- Schwindel
HORMONSYSTEM
- Menstruationsbeschwerden: PMS | Regelschmerzen | Dysmenorrhoe
- Schwangerschaftskomplikationen: Fehlgeburten | frühzeitige Kontraktionen bzw. Wehen mit verordneter Bettruhe
Wann treten die Symptome auf?
Bei einer Histaminintoleranz können Symptome unmittelbar nach einer Mahlzeit, aber auch noch Stunden bis Tage danach auftreten. Sie können sich akut, schubweise oder chronisch zeigen. Das führt dazu, dass Betroffene ihre Beschwerden häufig nicht mit der Ernährung in Zusammenhang bringen.
Welche Ursachen führen zu einer Histaminintoleranz?
Für die Unverträglichkeit von Histamin kann sowohl ein zu hoher Histaminspiegel im Blut (Histadelie) als auch ein zu niedriger Histaminspiegel im Blut (Histapenie) verantwortlich sein. In beiden Fällen kann das durch die Nahrung zugeführte oder freigesetzte Histamin zu schweren Symptomen führen.
HISTADELIE
EIN ZU HOHER HISTAMINSPIEGEL
In den meisten Fällen entsteht eine Histaminintoleranz durch eine Abbaustörung. Zuständig für den Abbau von Histamin ist das Enzym Diaminoxidase (DAO), das in der Dünndarmschleimhaut produziert wird. Ist die Produktion von DAO herabgesetzt und/oder das Enzym in seiner Aktivität vermindert, kann das durch die Nahrung eintreffende Histamin nicht ausreichend im Magen-Darm-Trakt abgebaut werden. Das nicht abgebaute Histamin gelangt in die Blutbahn und erhöht so den Histaminspiegel. Es liegt eine Histadelie, d.h. ein erhöhter Histaminblutspiegel vor.
Faktoren, die die DAO-Produktion/Aktivität hemmen können:
- Geschädigte Darmschleimhaut
- Dysbiose (gestörte Darmflora)
- Medikamente
- Alkohol und Nikotin
- Mangel an Mikronährstoffen
- Östrogendominanz
HISTAPENIE
EIN ZU NIEDRIGER HISTAMINSPIEGEL
Gewisse Faktoren beschleunigen den Histaminabbau. Das führt zu abnormal niedrigen Histaminspiegeln im Blut. Diesen Zustand nennt man Histapenie. In der Schulmedizin werden gewöhnlich nur erhöhte Histaminspiegel mit Symptomen in Verbindung gebracht. Doch auch bei einem reduzierten Histaminspiegel reagiert der Körper sehr empfindlich auf zusätzliches Histamin. Der Grund hierfür ist das verminderte Reaktionsniveau. Das bedeutet, dass der Körper schneller und stärker auf einen Anstieg von Histamin reagiert. So können Menschen mit einem normalen Histaminspiegel 100-120 Einheiten zusätzliches Histamin zuführen ohne Symptome zu entwickeln. Menschen mit sehr niedrigen Histaminspiegeln klagen dagegen schon bei ca. 65 Einheiten über Beschwerden.
Faktoren, die die DAO-Aktivität beschleunigen können:
Kupfer erhöht als Kofaktor die DAO-Aktivität. Ein Kupferüberschuss kann entstehen aufgrund:
- der Stoffwechselerkrankung HPU
- einer chronischen Darmerkrankung
- einer unentdeckten Glutenunverträglichkeit
- der Verwendung einer Kupferspirale
Mastozytose
Histamin wird in hoher Konzentration in Mastzellen gespeichert. Wenn Mastzellen dazu neigen, Histamin zu schnell und in zu großen Mengen freizusetzen, führt die vermehrte Histaminfreisetzung zu erhöhten Histaminspiegeln im Blut. Dieses Beschwerdebild wird als Mastozytose oder Mastzellaktivierungssyndrom bezeichnet.
Wodurch steigt der Histaminspiegel im Körper?
Der Histaminspiegel kann durch externe Quellen wie z.B. der Nahrung und Medikamente oder durch die körpereigene Produktion wie z.B. Allergien, Stress etc. erhöht werden.
ERNÄHRUNG
Unsere Ernährung hat einen enormen Einfluss auf den Histaminspiegel. Es gibt unterschiedliche Mechanismen, wie der Histaminspiegel über die Nahrung erhöht werden kann. Dazu gehören Lebensmittel, die…
- von Natur aus einen hohen Histamingehalt aufweisen: Spinat, Aubergine, Tomate etc.
- andere biogene Amine enthalten, die ebenfalls durch das Enzym DAO abgebaut werden müssen: Walnüsse, Weizenkeime, Thunfisch
- im Rahmen eines Reifungs-, Gärungs, Fermentierungsprozesses hohe Histaminwerte entwickeln: Wein, Käse, geräucherte Fisch- und Fleischprodukte, Sauerkraut, Oliven etc.
- Histamin im Körper freisetzen (Histaminliberatoren): Erdbeeren, Zitronen, Schokolade, Meeresfrüchte etc.
- die DAO-Produktion hemmen bzw. blockieren: Alkohol, Mate Tee, Schwarzer- und Grüner Tee
- abgestanden, überlagert, überreif oder verdorben sind
Darüber hinaus kann die Zubereitungsform von Speisen ebenfalls Histamin erzeugen. Zusatzstoffe in Fertigprodukten wie Geschmacksverstärker, Aromen, Stabilisatoren sowie Farb- und Konservierungsstoffe sind zusätzlich problematisch.
ALLERGIEN
Unverträgliche Lebensmittel führen über die immunologische Abwehrreaktion zu einer Ausschüttung von Histamin im Körper. Dabei ist zu beachten, dass hiervon nicht nur alle Lebensmittel betroffen sind, die unmittelbar zu einer körperlichen Reaktion führen (Soforttyp-Allergie), sondern auch jene, die eine zeitlich versetzte Reaktion im Körper auslösen (Spättyp-Allergie). Die Spättypallergien können nur über ein Ernährungstagebuch oder eine Blutanalyse identifiziert werden.
DARMFLORA
Einige Bestandteile der Darmflora wie z.B. das Chlostridium species produzieren selbst Histamin. Sind diese histaminbildende Bakterien oder Keime stark erhöht, kann allein die Histaminproduktion dieser Stämme zu einer wesentlichen Erhöhung des Histaminspiegels im Blut führen. Dieser Aspekt sollte auch bei der Wahl eines geeigneten Probiotikums berücksichtigt werden.
MEDIKAMENTE
Viele Medikamente enthalten Wirkstoffe oder Begleitstoffe, die die DAO-Produktion hemmen oder Histamin freisetzten (Histaminliberatoren). Im Fall eines operativen Eingriffes oder einer Langzeitmedikation sollten verwendete Präparate unbedingt von einer fachkundigen Person auf ihre Verträglichkeit hin überprüft werden. Zusätzlich empfiehlt sich vor einer Operation die intravenöse Gabe eines H1- und H2-Antihistaminikums.
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL
Auch Nahrungsergänzungsmittel können unverträgliche Mikronährstoffe wie z.B. Jod enthalten. Sehr viel häufiger sind jedoch Füllstoffe, Kapselhüllen, Aromen oder andere Begleitstoffe bei einer Histaminintoleranz unverträglich.
STRESS
Stress, Ärger und negative Gefühle lassen den Körper viele Botenstoffe ausschütten, darunter Histamin. Vorübergehender Stress ist unproblematisch. Chronischer Stress belastet den Organismus hingegen sehr und kann zu einer Dysbalance im Histaminstoffwechsel führen. Der Schweregrad einer Histaminintoleranz korreliert insofern auch mit dem Stresslevel. Im Urlaub oder allgemein ruhigeren Lebensphasen verbessert sich in der Regel die Verträglichkeit von Histamin. Ein individuell geeignetes Stressmanagement ist somit fast immer notwendiger Bestandteil eines erfolgreichen Therapiekonzeptes.
LEISTUNGSSPORT
Regelmäßige moderate Bewegung fördert alle Stoffwechselprozesse. Körperliche Überanstrengung erzeugt hingegen Stress im Körper und kann sich negativ auf eine Histaminintoleranz auswirken.
WIND,WÄRME,WETTER
Histaminsensible Personen reagieren häufig auf Wetterumschwünge mit Symptomen wie Kopfschmerzen, Übelkeit oder Schwindel. Aber auch der Reiz von kaltem Wind, heißen Temperaturen – ja sogar von heiß verzehrtem Essen – kann bei empfindlichen Personen zu einer Histaminausschüttung im Körper führen.
Wie wird eine Histaminintoleranz diagnostiziert?
Die einzige zuverlässige Diagnosemöglichkeit ist die Auslass- bzw. Eliminationsdiät. Dabei werden alle kritischen Lebensmittel für einen Zeitraum von 4 bis 6 Wochen weggelassen. Das Abklingen aller Symptome kann als Bestätigung der Histaminintoleranz gewertet werden.
Laborparameter können allenfalls als Anhaltspunkt bei der Diagnose dienen. Histamin kann im Blut, Stuhl und Urin gemessen werden. Das Enzym DAO ausschließlich im Blut. Beide Werte unterliegen jedoch großen Schwankungen. Unauffällige Messwerte können nicht zum Ausschluss einer Histaminintoleranz herangezogen werden.
Die Histaminintoleranz kann bei der Stoffwechselerkrankung HPU eine zentrale Rolle spielen. Das niederländische Institut KEAC bietet eine differenzierte Analysetechnik für die Bestimmung des Histamins im Vollblut an. Diese Form der Diagnostik ist in deutschen Laboren regelmäßig unbekannt, aber von großer Bedeutung bei der Erkennung stark herabgesetzter Histaminspiegel.
Kann man eine Histaminintoleranz heilen?
Ja, das kann man. Lediglich bei einer erblich bedingten Histaminintoleranz ist dies nicht möglich. Im Regelfall ist die Histaminintoleranz jedoch über die Zeit erworben. Wenn Sie in Ihrer Kindheit oder Jugend histaminreiche oder histaminfreisetzende Lebensmittel vertragen haben, dann können Sie davon ausgehen, dass sie nicht an einer genetischen Histaminintoleranz leiden. Wenn die Ursachen der Histaminintoleranz behoben und der Körper sich regeneriert hat, nimmt auch die Verträglichkeit von Histamin schrittweise zu.
Das Weglassen von histaminrelevanter Nahrung führt in einem ersten Schritt zum Abklingen aller Symptome. Nicht selten ernähren sich Betroffene jedoch über längere Zeiträume sehr einseitig von einzelnen wenigen Lebensmitteln. Das führt langfristig zu einer Verschlechterung der Versorgung des gesamten Organismus. Eine Mangelsituation kann jedoch niemals zur Genesung führen. Dass der alleinige Verzicht auf Histamin nicht zur gewünschten Heilung führt, hat eine amerikanische Kollegin sehr treffend auf den Punkt gebracht: „Elimination does not heal – nutrition does!“.